Wer bekommt die Ehewohnung nach der Trennung?

Die eheliche Lebensgemeinschaft begründet das Recht beider Ehegatten auf Mitbenutzung und somit auf Mitbesitz an der Ehewohnung.

Nach der Trennung stellt sich die Frage, wer aus der Wohnung ausziehen muss und wer bleiben darf. Beide Eheleute haben durch die Ehe die gleichen Rechte an der Ehewohnung, unabhängig davon, welchem Ehegatten die Wohnung gehört. Wie ist jedoch zu entscheiden, wenn die Eheleute sich nicht einigen können, wer von beiden die Wohnung weiter nutzen darf?

Können die Eheleute sich nicht über den Verbleib in der Wohnung einigen, hat das Gericht eine Entscheidung zu treffen. Dabei orientiert sich das Gericht danach, welcher Ehegatte auf die Nutzung der Ehewohnung am meisten angewiesen ist. Wie ist aber zu entscheiden, wenn beide Ehegatten in gleichem Maße die Nutzung der Wohnung bedürfen?

Darum geht es

Beide Eheleute sind querschnittsgelähmt und bedürfen der Pflege durch eine Pflegekraft. Sie bewohnen eine Wohnung im Hause der Eltern des Ehemannes. Die 130 qm große Wohnung verfügt über ein Wohn- und ein Schlafzimmer, eine Küche, einen Flur, einen Anbau und zwei behindertengerechte Bäder. 

Die Beteiligten heirateten 2005 und sind seit einem Jahr rechtskräftig geschieden. Die Ehe blieb kinderlos. Sie streiten um die Überlassung der in ihrem Miteigentum befindlichen Ehewohnung anlässlich ihrer Scheidung. 

Die Wohnung befindet sich im Elternhaus des Antragstellers. Die 130 qm große Wohnung verfügt über ein Wohn- und ein Schlafzimmer, eine Küche, einen Flur, einen Anbau und zwei behindertengerechte Bäder. 

 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG Frankfurt hat wie folgt entschieden: 

Ein Ehegatte könne die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung u.a. dann verlangen, wenn er auf deren Nutzung in stärkerem Maße angewiesen sei als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspreche. 

Dabei seien alle die Lebensverhältnisse der Ehegatten bestimmenden Umstände in eine Gesamtabwägung einzustellen. Dabei hat das Gericht bei einer Behinderung beider Eheleute zunächst darauf abgestellt, welcher Ehegatte in welchem Umfang auf die erforderliche Anwesenheit einer Pflegeperson angewiesen ist.

Schließlich spiele es eine Rolle, wer aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse eher in der Lage sei, eine adäquate Wohnung zu finden. Auch spiele es eine Rolle, wer in der Wohnung oder am Ort am meisten sozial verwurzelt ist.

Hier war der Ehemann insbesondere wegen der erforderlichen Anwesenheit einer Pflegeperson auf eine größere Wohnung angewiesen als die Ehefrau. Zudem habe der Ehemann bereits vor Einzug seiner Ehefrau in der Wohnung gewohnt und sei in dem Ort sozial verwurzelt. Schließlich wohne auch der Bruder in dem Haus und seine Lebensgefährtin wohne in der Nähe.

Trotz seiner besseren wirtschaftlichen Verhältnisse sei er damit stärker auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen als die Ehefrau, die insbesondere nicht über vergleichbar intensive Bindungen im Ort verfüge.

Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch dem schützenswerten Interesse des Ehemannes, im elterlichen Haus wohnen zu bleiben, erhebliches Gewicht zukomme. 

Das Gericht hat der Ehefrau jedoch eine Frist gewährt, da sie wegen ihrer körperlichen Einschränkungen einen angemessenen Ersatzwohnraum finden muss.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.05.2022 – 6 UF 42/22